"Können Sie sich vorstellen, bei der Fuckup Night Viersen als Sprecher*in aufzutreten und vor ca. 100 Menschen in der örtlichen Stadthalle darüber zu berichten, wie Sie mal so richtig gescheitert sind?"
Wie hätten Sie an meiner Stelle geantwortet?
Hätten Sie eher gezögert oder gleich geschmeichelt zugesagt?
Hier mein Erfahrungsbericht verbunden mit ein paar Gedanken zum Scheitern.
Scheitern ist unmöglich!
Was heißt überhaupt Scheitern? Ist jeder Fehler schon ein Scheitern? Ist Scheitern das Gegenteil von Erfolg?
Die Definition in Wikipedia lautet "Unter Scheitern versteht man, wenn ein durch eine Handlung intendiertes Ziel nicht erreicht wird, wenn also etwas misslingt und nicht den erwünschten, angestrebten Erfolg hat".
Scheitern ist also immer auf ein zuvor gesetztes Ziel gerichtet. Das eine Ziel nicht zu erreichen, heißt allerdings nicht notwendigerweise, dass dadurch nicht andere Dinge erreicht wurden. Womöglich solche, die viel wertvoller waren. Scheitern in Bezug auf ein Ziel kann also Grundlage für den Erfolg mit einem anderen Ziel sein.
Damit stellt sich auch immer die Frage danach, was mensch als Erfolg definiert: Dass mensch einem vorgezeichneten Weg ohne Stolpern gefolgt ist - sofern es denn einen solchen Weg gibt? Dass mensch sich mit anderen messen kann - doch was sind geeignete Indikatoren dafür? Womöglich Statussymbole? Oder schlicht: Dass mensch etwas aus höchst subjektiven Gründen als einen Erfolg wertet?!
Kurzfristig fühlt Scheitern sich übel an; mit etwas Abstand jedoch lässt sich in jedem Scheitern etwas Gutes erkennen, das daraus erwachsen ist. Und wenn es die Selbsterkenntnis über eigene Grenzen ist. Scheitern ist also eigentlich unmöglich - es sei denn, mensch unterwirft sich unhinterfragt den (vermeintlich) negativen Urteilen anderer.
Sie haben es selbst in der Hand, wie Sie eine Erfahrung bewerten und was Sie daraus für Ihr Leben machen.
Warum FuckupNights? Weil sie zeigen, dass wir alle scheitern, und Mut machen!
Zurück zu meiner Eingangsfrage: Ja, ich habe zugesagt. Denn es ist nichts Schändliches, über sein Scheitern zu reden. Und das eigentlich Spannende der Geschichte kommt nach dem Wendepunkt des Scheiterns: Nämlich die Geschichte darüber, was man daraus gelernt hat. Was doch noch daraus entstanden ist. Wozu es dienlich war. Kurz: Das Happy End!
Und wenn ein Mensch beginnt, über sein/ihr Scheitern zu reden, finden sich immer (!) weitere, die gleich einstimmen mit ihren Geschichten. So auch bei der FuckupNight Viersen, bei der ich sowieso eine von drei Sprecher*innen war. Und wie sich in den Gesprächen mit den Zuschauern im Foyer im Nachgang zeigte, waren da noch viele weitere.
Dabei lernt man gleich von den Fehlern der anderen mit, und es bildet sich ein Gemeinschaftsgefühl und ein sicherer Raum, der Zusammenarbeit ermöglicht. Denn plötzlich können alle ganz authentisch miteinander reden, jede*r darf sich fehlbar und verletzlich zeigen.
(Tipp: Führen Sie doch mal in Ihrer Organisation eine FuckupNight durch. Es ist ganz erstaunlich, wie Sie damit die Kultur Ihrer Organisation stärken können. Insbesondere wenn die Eigner und Führungskräfte mit authentischem Beispiel vorangehen.)
Mein Scheitern eröffnete mir den Weg zur persönlichen Entwicklung
Sicher sind Sie noch neugierig, was ich denn bei der FuckupNight erzählte und worin denn mein Scheitern bestand? Tja, wären Sie eben dabei gewesen... Nur so viel sei verraten: Ich hatte mich einmal in meinem Leben allzu sehr darin verlaufen, was "man" vermeintlich in unserer Gesellschaft als Erfolg wertet. Ich wollte Einfluss nehmen und machte damit auch eine gewisse Karriere.
Doch darüber geriet ich in einen inneren Konflikt, den ich selbst erst nicht richtig erkannte oder nicht wahrhaben wollte. Letztendlich signalisierte dann jedoch mein Körper ganz klar, dass ich auf einem falschen Weg war. Was mir wiederum im Laufe der Zeit viele neue Möglichkeiten eröffnete - und damit neue Wege für meinen persönlichen Erfolg. Oder zumindest das, was ich heute als solchen werte: Eine Gleichrichtung meiner beruflichen Tätigkeit mit meinen inneren Werten, die mir immer wieder Kraft und Orientierung gibt. Für mich bedeutet daher Erfolg nicht "schneller-weiter-höher", sondern "nachhaltig-verbunden-lebendig-enkelfähig".
Doch fragen Sie mich mal in ein paar Jahren, wo ich dann stehen werde und wie ich dann auf meinen heutigen Stand zurücksehen werde. Sie wissen ja: "Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden" (Soren Kierkegaard).
Mein Dank für meinen Auftritt jedenfalls gebührt der Wirtschaftsförderung der Stadt Viersen für die Einladung und die Schaffung eines wahrhaft würdigen Rahmens wie auch den Mitrednern und dem interessierten Publikum, die die FuckupNight zu einer lebendigen Erfahrung für alle Beteiligten machte.
Für mehr Eindrücke dieses Abends lesen Sie auch gerne diesen Artikel der Rheinischen Post.
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