Anerkennung als Motivator und Kitt - wie gelingt das? Eine Anekdote als Lehrstück

Kürzlich besuchte ich mit Freunden eine größere Unterhaltungsveranstaltung. Nach der Eiseskälte draußen ging es als erstes darum, alle unsere Jacken an der Garderobe abzugeben, bei der natürlich einiges Gedränge herrschte. Anstelle der genervt-angespannten Stimmung, die man sonst an dieser Stelle erlebt, weil immer jemand in aller Ruhe noch alles mögliche aus seinen Taschen herauskramt und alle anderen warten müssen, herrschte hier unerwarteterweise eine fröhliche Atmosphäre. Trotz Wartezeiten. Die Umstehenden lachten sogar immer wieder.

Und warum? Weil die Angestellten ein ganz kleines, eigenartiges, doch sehr wirksames Ritual pflegten!

Anerkennung stärkt - in jeder Hinsicht!

Das kleine Ritual bestand nicht etwa aus einer kleinen künstlerischen Einlage oder einem Witz (auch wenn es sich um eine Karnevalsveranstaltung handelte). Es wurden auch keine Kekse oder Getränke an die Wartenden zur Überbrückung der Zeit verteilt. Sondern immer, wenn eine/r der Angestellten ein Trinkgeld erhielt - egal in welcher Höhe -, rief er / sie vielmehr laut hörbar "Trinkgeld". Und alle TeamkollegInnen antworteten im Chor mit "Danke!" Mehr nicht. Simpel, doch das ging direkt ins Herz -darum die Lacher!

Ich bin daher sicher, dass die Einnahmen an Trinkgeld an diesem Abend gut ausfielen. Auch mir - und ich bin im Schwabenland groß geworden! - fiel es leicht, ein Trinkgeld zu geben. Wer würde nicht gerne diesen gutgelaunten Dialog aus "Trinkgeld" und vielstimmigem "Danke!" zu hören, nur für sich und nur dafür, dass man einen kleinen Betrag als Zeichen der Anerkennung leistet?! Auch die Angestellten erlebten nicht nur jede/r für sich, wie oft sie Trinkgeld erhielten, sondern erlebten jede einzelne Gabe aller Gäste mit! Daher die gute Laune!

Und was dieses Ritual sonst noch so bewirkte? Naja, Lachen löst ja bekanntlich Verspannung - alle waren entspannt. Es lenkte ab, fokussierte unsere Aufmerksamkeit weg vom Ärgernis und hin zum Erfreulichen und überbrückte schließlich die Wartezeit. Es zeigte allen Anwesenden, dass Leistungen / Gaben anerkannt wurden, und dass beidseitige (!) Dankbarkeit herrschte. Und vor allem: Dadurch erzeugte es Gemeinschaft und das Gefühl, dass wir doch alle im gleichen Boot mit gemeinsamen (und nicht entgegengesetzten) Interessen saßen. Ein warmes Gefühl, das die Vorfreude auf die kommende Veranstaltung noch verstärkte.

Dankbarkeit und Anerkennung als Haltung im privaten wie beruflichen Alltag

Als Menschen wünschen wir uns alle, so wie wir sind und für das, was wir im Großen und Kleinen leisten und beitragen, anerkannt und gesehen zu werden. Anerkennung spornt uns an, stärkt unsere intrinsische Motivation und damit die Entwicklung, die wir als Person durchlaufen.

Aufgrund der enormen Bedeutung von Anerkennung neigen Organisationen daher im betrieblichen Kontext dazu, Feedback zu formalisieren - in der guten Absicht, sicherzustellen, dass es stattfindet und dass es wirksam und zielführend erfolgt. (An dieser Stelle möchte ich allerdings nicht diskutieren, was "zielführend" heißt und ob bzw. welche Ziele hilfreich sind.) Auch ich durfte vor Jahren in einem großen Konzern einen Feedbackprozess mitentwerfen und implementieren. Ich lernte dabei allerdings mit der Zeit, dass ein formalisierter Prozess zwar hilfreich, aber leider nicht hinreichend ist, um Anerkennung sicherzustellen und dadurch Motivation und Leistung zu fördern.

Vielmehr waren es immer die beteiligten Personen, die "den Klang" machten. Als motivierend wurden solche Personen erlebt, die nicht nur den vorgegebenen Prozess abarbeiteten. Diese Personen praktizierten vielmehr in Haltung und täglichem Tun Anerkennung sowohl in kleinen Gesten und Worten als auch darin, dass sie den formalisierten Prozess nutzten, indem sie ihn mit Leben füllten und ihm dadurch den beabsichtigten Geist einhauchten. Ihnen wurde übrigens auch angstfrei zugestanden, Kritik zu äußern - denn sie hatten zuvor dafür gesorgt, dass Vertrauen in die persönliche Anerkennung entstanden war. Ihre Kritik fiel entsprechend auf fruchtbaren Boden. Sie hatten also verstanden, dass man Menschen nicht entwickeln kann, sondern dass Menschen sich selbst entwickeln - sofern ein Umfeld der Anerkennung, ein Klima der psychologischen Sicherheit, ein Gefühl des Wohlwollens existiert.

Es gibt viele Möglichkeiten, Menschen in Organisationen darin zu unterstützen, eine Kultur des gemeinsamen Wohlwollens als Nährboden für Entwicklung und Leistung zu gestalten. Ein in eine solche Kultur eingebetteter formalisierter Prozess kann durchaus dabei hilfreich sein. Eine wohlwollende Kultur zu entwickeln, gelingt aber nur durch Zutun aller Beteiligten. Indem alle sich berechtigt und verantworlich fühlen, Anerkennung auszudrücken. Ob dies über Kudo-Cards, über digitale Tools, über Gespräche (spontan oder geplant, gelegentlich oder oft, formalisiert oder informell) oder oder erfolgt, ist völlig gleichwertig, sofern es für die Beteiligten stimmig ist. Und vielleicht inspiriert Sie ja das von mir geschilderte Erlebnis auch zu einer Idee, was in Ihrem Team oder Umfeld funktionieren könnte. Egal übrigens, ob Sie Führungskraft sind oder nicht. Anerkennung kann (muss! Oder vielleicht sogar: tut jeder unvermeidlich?!) jeder von uns ausdrücken.

Nachwort

Bei der Ausgabe der Mäntel nach der Veranstaltung fiel mir übrigens noch etwas anderes auf: Das Team war jetzt größer, damit es schneller ging. Und zwar waren die zusätzlichen Mitarbeitenden .... einige der Schausteller, die ich gerade eben noch auf der Bühne für eine tolle Leistung beklatscht hatte! Ich kenne natürlich die internen Strukturen dieser Veranstaltung nicht, aber ich hatte den Eindruck, dass die Verstärkung nicht zur Garderobe beordert worden war, sondern aus Teamgeist einfach den KollegInnen unter die Arme griff.

Wir erlebten also ein echtes Team, das hier Hand in Hand arbeitete, damit alle, Zuschauer wie Mitarbeitende, zügig nach Hause bzw. aus dem Hause kamen. So eines, bei dessen Kultur man sich gleich gut vorstellen kann, auch darin mitzuarbeiten. Bei der Veranstaltung handelte es sich übrigens um die Kölner Stunksitzung, die seit 1984 jährlich einen satirischen Blick auf Karneval, Gesellschaft und Politik wirft und so - wie hier auch im praktizierten Tun - Alternativen zu vermeintlich Unabänderlichem aufzeigt.


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Kommentare: 1
  • #1

    Kati (Dienstag, 08 Januar 2019 21:03)

    Danke fürs Teilen.