Verständnis als Emergenzphänomen - Wie Kommunikation und Führung gelingen

Zum Thema Führung und Kommunikation in Veränderungsprozessen wie auch im Alltag fällt immer wieder der Begriff der Emergenz. Emergenz heißt übersetzt aus dem Lateinischen "das Auftauchende", verweist also darauf, dass plötzlich etwas da ist, was vorher nicht vorhanden war. Doch oft bleibt unklar, was denn das mit Führung und Kommunikation zu tun hat.

Heute morgen erlebte ich bei einem kleinen Spaziergang allerdings einen harmlosen Vorfall, der das Phänomen perfekt illustriert:

Ich befand mich im Wald auf dem Weg nach Hause. Angesichts des frühen Morgens war kaum etwas los, nur in der Entfernung bemerkte ich durch ihr buntes Trikot eine Radlerin, die mir entgegenkam. Als ich mich einer Kreuzung näherte, bog außerdem aus einem Nebenweg eine Joggerin auf meinen Weg, die soeben an ihrem Smartphone hantierte. Wie es der kosmische Zufall in einem ansonsten völlig menschenleeren Wald so wollte, kam es nach wenigen Schritten, wie es kommen musste: Wir begegneten uns alle drei an der gleichen engen Stelle. Es bestand Gefahr, dass wir alle in eine Kollision verwickelt wurden.

Und doch kam es anders: Ohne Worte entstand Blickkontakt zwischen mir und der entgegenkommenden Joggerin. Wir wichen beide an die Ränder des Weges aus, so dass Platz entstand. Zeitgleich verlangsamte die Radlerin ihre Geschwindigkeit und konnte so gefahrlos zwischen uns durchfahren. Wir gingen alle weiter unseres Weges. Es entstand kein Konflikt ("Sie stehen mir im Weg.", "Passen Sie doch auf" o.ä.). Es blieben keine schlechten Gefühle ("Die hat mich ohne Rücksicht angerempelt."). Das "Problem", wenn man es denn hier mal so nennen darf, war gelöst.

Natürlich ist dies eine banale Anekdote, und jede/r von uns erlebt tagtäglich Ähnliches. Und doch zeigt es, dass zwischenmenschlicher Austausch und die Lösung von Problemen blitzschnell gelingen: Wenn wir einerseits in Verbindung zwischen allen Beteiligten treten und eine Beziehung aufbauen (Blickkontakt). Wenn wir gemeinsam tragfähige Lösungen schaffen, indem wir unsere Aktivitäten koordinieren (Ausweichen, Bremsen) - und dies ohne dabei unsere eigenen Interessen aus dem Auge zu verlieren (weiterkommen in Richtung X). Und wenn wir alle eine gemeinsame Geschichte teilen, die uns erlaubt, uns aufeinander einzulassen - hier in Form der Verkehrsregeln, die uns nahelegte, als Langsamere an den rechten Wegesrand auszuweichen, und zum Überholen in die Mitte zu gehen.

In der Kommunikation - und das ist ja gerade, was auch Führungsarbeit ausmacht - geht es genau darum: Als Grundlage des Austauschs erst einmal den anderen wahrzunehmen als Mensch und sich auf ihn / sie einzulassen. Teilen Sie eigene Interessen mit und erkunden Sie die Interessen des anderen - und zwar in der Haltung eines gleichwertigen Partners. Nehmen Sie Bezug auf gemeinsame Erfahrungen und schaffen Sie weitere. Arbeiten Sie gemeinsam an der Brücke, die die nicht-verbundenen Planeten verbinden wird, auf denen sich ein jeder befindet. Bleiben Sie schließlich zuversichtlich, wenn der Brückenbau ein bisschen dauert.

... und dann ist plötzlich alles klar für die Beteiligten. (Vermeintlich) einfach so.

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