Digitalisierung - über die Tragweite aktueller technischer Entwicklungen

Digitalisierung - ein Wort, das man eigentlich langsam nicht mehr hören kann, aber nicht dran vorbeikommt. Weil jeder dieses Wort mit anderer Bedeutung füllt und marktschreierisch angebliche Wahrheiten darüber verkündet - viele so, dass daraus Ängste und Verwirrung entstehen, und mit dem Ziel, etwas zu verkaufen.

Im folgenden möchte ich hingegen einmal das Feld der Digitalisierung auf mehreren Ebenen erkunden und aufzeigen, dass Digitalisierung sehr große Tragweite hat und zwar entschlossenes Handeln, aber keine Panik erfordert.

Vordergründig ist die Digitalisierung nichts anderes als die Einführung technischer Neuheiten, wie wir sie immer schon hatten.

Neue Roboter haben nun dank (besserer) Sensoren verbesserte Fähigkeit, hocheffizient sensibel mit Menschen, anderen Maschinen und Teilen zusammenzuarbeiten. Drohnen, 3D-Drucker, Virtual Reality-Brillen erlauben es, Aufgaben ganz anders als bisher zu lösen. Die Möglichkeit, hohe Datenmengen zu erheben und mit hoher Komplexität und in unglaublicher Effizienz zu verarbeiten, gestatten neue Einsichten. Neue Geschäftsmodelle bedrohen oder lösen gar tradierte, bestens etablierte ab. Damit wirken die technischen Neuerung - wie man heute sagt - disruptiv: Sie lösen radikal Bisheriges ab und sind Schlüssel zu weiteren Innovationen, die ohne diese technischen Neuerungen eben nicht möglich waren.

Die Digitalisierung hat jedoch Wirkung auf zwei weiteren, m.E. durchaus beachtlichen Ebenen:

  1. Die zunehmende Durchdringung aller Lebensbereiche mit vernetzten Geräte, wie man sie schon heute im Kontext von Smart Home, mobilen Apps, und der autonomen Steuerung von Geräten wie beispielsweise Autos vorausahnen kann, erfordert ganz neue Qualifikationen auf Seiten der Nutzer wie auch der Hersteller und Entwickler. Wissensarbeit, die Fähigkeit zu kreativen Innovationen und eben die Fähigkeit, Netzwerke so zu knüpfen und zu entwickeln, dass durch Kooperationen immer Neues entsteht, machen künftig den Wettbewerbsvorteil von Unternehmen aus.
  2. Die intelligente Nutzung der technischen Möglichkeiten vesetzt Menschen - ähnlich wie vor Jahrhunderten die Erfindung des Buchdrucks - nun in die Lage, immer besser informiert zu sein und mündige Entscheidungen zu treffen. Damit wandelt sich das Selbstverständnis und der Anspruch der Menschen, die angesichts von zunehmend weltweiter Transparenz Marktbarrieren überwinden und ihr Leben eigenständiger gestalten - also weniger hinnehmen müssen. Vorauszusetzen ist allerdings, dass Menschen sich als mündig im Sinne der Aufklärung Kants begreifen: Als willens, sich ihres eigenen Verstands dabei zu bedienen.

In der Konsequenz bedeutet dies, ...

  • dass Unternehmen angesichts zunehmender Vernetzung zunehmend miteinander kooperieren müssen;
  • dass Kunden zunehmend an der Entwicklungen von Produkten und Dienstleistungen mitwirken werden;
  • dass nicht nur der Wettbewerbsdruck um Kunden, sondern auch um Fachkräfte (und zwar global) steigt bei gleichzeitiger Emanzipierung von sog. Arbeitnehmern, die entsprechende Verbesserungen in den Arbeitsbedingungen erfordern hin zu einer Anpassung an die Lebenserfordernisse der Fachkräfte.

Und nicht zuletzt machen die Veränderungen nicht Halt an den Grenzen der Wirtschafts- und Privatsphäre.

Die Digitalisierung weckt nicht nur Ängste bei denjenigen, die weniger privilegiert sind hinsichtlich hoher Qualifikationen oder Wohlstand oder deren Geschäftsmodell bedroht ist. Die Ängste aufgrund der weltweiten Verschiebungen zeigen sich in der zunehmenden Radikalisierung bisher eher "gutbürgerlicher" Nationen, auch in unserem Land. Denn die Bürger unserer Gesellschaften haben nun ganz neue Möglichkeiten, auf unsere Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Über Social Media lässt sich die öffentliche Meinung ganz anders als bisher beeinflussen, wie dies Shitstorms oder die amerikanischen Präsidentschaftswahlen im negativen Sinne zeigten. Und schon heute können über Online-Petitionen ganz leicht Initiativen gestartet oder befördert werden, um nur Beispiele zu nennen, die im Rahmen unseres aktuellen Demokratiemodells möglich sind. Doch natürlich stellt sich auch die Frage, ob unser Demokratiemodell vielleicht einem Update unterworfen werden sollte, um beispielsweise Elemente einer direkten Demokratie ergänzend aufzugreifen.

Was allen diesen Entwicklungen also gemein ist, ...

... ist die Ermächtigung des Einzelnen, sich Verbündete zu suchen, um als formales oder informelles Netzwerk gemeinsame Interessen zu verfolgen. "Ermächtigung" meint hier schlicht die Bereitstellung der notwendigen Mittel wie Informationen, Zugang zu Einflussmöglichkeiten, Senkung der damit verbundenen Kosten - schlicht: Es ist soviel einfacher heute, etwas zu bewegen, als es noch vor Jahrzehnten war. Mit allen Chancen und Risiken, die damit einhergehen.

Damit einhergeht allerdings eine steigende Notwendigkeit, die Menschen für unser Zeitalter auszubilden, ihnen also die Kompetenzen auf den Weg zu geben, sich in einer komplexen und hochveränderlichen Welt zurechtzufinden. Dies bedeutet, dass wir den Bildungsbegriff, unser Bildungssystem, das aktuell noch vorwiegend selbst einer industrialisierten Bildungsmaschine gleicht, unseren Bildungsansatz und die Bildungsziele radikal auf die neuen Anforderungen ausrichten müssen.

Und darin liegt meines Erachtens der Schlüssel und die Herausforderung für eine erstrebenswerte und nachhaltige Zukunft der digitalen Welt:

Dass wir wieder stärker darauf fokussieren und lernen, Verbindungen mit anderen Menschen zu entwickeln, die auf Gemeinsamkeiten beruhen, insbesondere auf gemeinsamen Interessen. Dass wir dazu Netzwerke knüpfen und wiederum die Netzwerke untereinander verknüpfen, damit wir im Dialog auch Verbindungen zwischen vermeintlich unterschiedlichen Interessen entdecken und ausbauen. Und zwar weltweit. Dass wir lernen, diejenigen auszubooten, die von der Spaltung unserer Gesellschaften und der Verfolgung von Individualinteressen profitieren.

Was wir dazu brauchen: Dialog und direkte, gelingende Kommunikation - vermeintlich banale und ganz analoge Kompetenzen.

Kompetenzen, die wir aber offensichtlich als Volkswirtschaften, Unternehmen und Gesellschaften noch besser meistern können. Wir brauchen also eine Rückbesinnung auf die Bedeutung von empathischem Zuhören - ohne dies mit Kuschelei oder Unterordnung zu verwechseln. Ebenso müssen wir besser darin werden, gewaltfrei zu kommunizieren, um unsere Interessen zu vertreten und zugleich Brücken zu den Interessen anderer zu schlagen. In Entscheidungsprozessen müssen wir neben der rationalen Argumentation auch wieder lernen, unsere Intuition zu berücksichtigen, um Grenzen - auch die der Kreativität - zu verrücken (ob daher wohl der Ausdruck "verrückt" kommt?!). Für all das dürfen wir ruhig digitale Medien nutzen - doch wir sollten es nicht darauf reduzieren.

Und wir benötigen ein neues Verständnis von Führung.

Denn Führung heißt, eine Bühne zu schaffen, auf der alle, die dazugehören und eine Rolle spielen, ihren Part selbstverantwortlich und autonom ausfüllen können, und vor allem dabei das Ensemble unmerkbar so zu dirigieren, dass sich ein stimmiges Ganzes entwickelt - am besten mit Happy End! Führung ist also (wie) Kunst, hat ganz viel mit Können und mit Beziehungsarbeit zu allen Beteiligten zu tun. Wir sollten dabei vorsichtig sein und bewusst und eigenverantwortlich entscheiden, wem wir als Führer (Vorgesetzter, Vorbild, Politiker etc.) folgen und wem wir Führung überantworten. Es gilt, immer wieder Verbindungen herzustellen zwischen den Beteiligten, damit sie erkennen, auf welches große Ganze sie gemeinsam hinarbeiten und wie ihre Beiträge und Interessen darin einmünden. Es geht darum, Mitgestaltung und Mitverantwortung aller zu ermöglich, und dann, wenn es im Prozess mal hakt, dem Ensemble die notwendige Zuversicht zu vermitteln, dass wir es schaffen werden. Denn wir haben ja bekanntlich nur eine Welt, die nicht nur digital, sondern ganz physisch "total vernetzt" ist.


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